Das Grundgesetz

Was Gestaltung und Typografie können, beweist ein weiteres Mal ein Text, der plötzlich im Gewand eines Magazins daherkommt: das Grundgesetz.

Normalerweise kann man Gesetzestexte eher in die Kategorie »Konsultierendes Lesen« einordnen. Der Typograf Hans Peter Willberg wendet das Motto: so deutlich wie nötig an.
Wer diese Texte liest, muss sie lesen und hat eine hohe Lesemotivation. Er liest häufig nur einzelne Passagen, die schnell auffindbar sein müssen. Also: kleine Schrift + geringer Zeilenabstand = geringer Lesekomfort, denn Komfort ist bei Texten dieser Art nicht relevant.
Und nun kommt das Grundgesetz als Hochglanzmagazin daher und macht Lust, hineinzublättern und zu lesen.

Die Typografie ist inszeniert. Manche Texte sind groß und rufen laut, andere erregen Aufmerksamkeit, weil sie ganz klein gesetzt sind und inmitten von viel Weiß stehen. Überhaupt – Weißraum gibt es reichlich und es ist schön zu sehen, welche Wirkung Texte entfalten können, wenn ihnen genügend Raum gegeben wird.
Die Farben Schwarz-Rot-Gold sind vorherrschend. Besonders schön ist ein Registerstreifen in den Nationalfarben, der von der Seite betrachtet wie ein Farbschnitt wirkt.

So weit, so schön. Toll ist aber auch der Inhalt des Magazins: Einleitend wird von der Entstehung des Grundgesetzes erzählt und wir erfahren gleich, dass es nicht nur Väter, sondern auch vier Mütter hat.
In einer Fußnote geht ein Dank an Ranga Yogeshwar, der als Ideenstifter fungierte, ohne es zu wissen.
Alexander Gerst und die European Space Agency haben Bilder von ganz oben zur Verfügung gestellt, die wunderschön und sehr interessant sind. Diese Aufnahmen von Deutschland und Europa bebildern die Auftaktseiten.
Am Ende des Magazins gibt es das Kapitel »Wissenswert«, in dem Fakten zu Deutschland in Infografiken präsentiert werden.
Und wollte man die Hymne singen, so muss man nie mehr den zweiten Satz wegnuscheln, denn im Magazin gibt es neben Infos zu Dichter und Komponist auch den Text und die Noten.

Die Macher des wunderschönen Magazins sind Oliver Wurm und Andreas Volleritsch. Bereits 2010 haben die beiden das Neue Testament als Magazin herausgebracht. Ein ebenso beeindruckendes Projekt.
Der Journalist Wurm und der Designer Volleritsch veröffentlichten Ende November Das Grundgesetz als Magazin in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren – auf eigene Kosten und Risiko. Und ihr Mut wurde belohnt: das Heft verkauft sich wie geschnitten Brot und es wird bereits nachgedruckt.
70 Unterstützer – vom Dax-Unternehmen bis zum Start Up – hatten die Produktion der Startauflage bezuschusst, um auf Anzeigen im Heft verzichten zu können.
Die Zahl 70 ist symbolisch und verweist auf den 23. Mai 2019, den 70. Geburtstag unseres Grundgesetzes.

Oliver Wurm sagt: »Wir haben eine wunderbare Verfassung. Es soll Freude machen, das Grundgesetz zu lesen. Die Magazin-Form eignet sich dafür hervorragend.«
Dem kann ich nur beipflichten und euch ans Herz legen, diesen wunderbaren Text in einer (nun) wunderschönen Form mal zu lesen.

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