Helvetica

Ihr wird nachgesagt, sie sei »charakterlos, neutral und gefällig … allgegenwärtig … bis zur Unscheinbarkeit« aber sie wird auch als »eigenwillige Schönheit« bezeichnet (Helvetica forever, Lars Müller Publishers 2008)
Vom Bleisatz bis in heutige digitale Zeiten, diese Schrift hat alles mitgemacht. Manche können sie gar nicht leiden, für andere ist sie Kult.

Im Juni 1957, also vor genau 57 Jahren, wurde sie auf der graphic 57 der Öffentlichkeit vorgestellt. Damals noch unter dem Namen Neue Haas Grotesk.
In den 1950er Jahren sehnten sich viele Typografen und Gestalter nach Klarheit, allen voran die Vertreter der Schweizer Typografie. Häufig verwendeten sie die Akzidenz Grotesk von Bertold. Diese war bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert in Berlin entwickelt worden – sachlich, kühl und funktional. Eduard Hoffmann, Direktor der Haas’schen Schriftgießerei, hielt die Zeit für reif eine neue, schweizerische Variante auf den Markt zu bringen und beauftragte im Herbst 1956 Max Miedinger mit der Entwicklung einer serifenlosen Schrift.
Zu Bleisatzzeiten war es extrem aufwändig, neue Schriften zu entwickeln: Miedinger zeichnete 10 cm große Versalien, verkleinerte diese fotografisch, dann wurde eine Messingschablone graviert, mit einem Pantografen eine verkleinerte Bronzematritze gebohrt, von der dann Bleilettern abgegossen wurden. Ein Facharbeiter benötigte dafür vier bis sieben Stunden. Wenn auch nur eine klitzekleine Korrektur vorgenommen wurde, ging alles wieder von vorne los. Geprüft wurde schließlich in Wortbildern. Eduard Hoffmanns Protokollheft hält diese Arbeit anschaulich fest. Die Korrekturen gingen auf dem Postweg zwischen Münchenstein und Zürich hin und her. Kaum zu glauben, dass die Schrift nach nur neun Monaten präsentationsreif war. Nebenbei hatte Miedinger übrigens noch Messestand und Broschüren gestaltet.
1960 wurde dann die Neue Haas Grotesk von der Frankfurter D. Stempel AG, dem Mehrheitseigner der Hass’schen Schriftgießerei, als Matrize für die Linotype-Setzmaschine auf den Markt gebracht. Jetzt sollte sie auch ihren endgültigen Namen erhalten: Helvetica
Die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf.

Mitte der 1960er waren die Designer der Madison Avenue verrückt nach ihr, der Sprung in die USA war geschafft. Bis heute ist sie dort sehr erfolgreich, von der New Yorker Subway, über American Airlines und Coca-Cola bis zum Logo von American Apparel.
Sie ist eben neutral und für alle Botschaften einsetzbar – von Tupperware über Harley-Davidson bis zu Fendi.
Aber was macht die Helvetica bis heute so besonders? Sie ist einfach und klar, doch in machen Formen auch ein bisschen altmodisch. Man schaue sich bloß das kleine a an: Es hat einen tropfenförmigen Bauch und einen geschwungenen Abstrich. Das große R mit seinem geschwungen Bein, das ist etwas keck. Der i-Punkt wiederum ist quadratisch – konstruierter geht es kaum.

Mich erinnert sie oft an einen Eames Chair – schön, schlicht und doch eindeutig aus einer anderen Zeit.

buchstabenplus, helvetica
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